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An einer Mauer im oberen Teil der Trittligasse in der Zürcher Altstadt prangt seit einigen Tagen eine Strichfigur – eigentlich nichts ungewöhnliches, sind mit Graffiti beschmierte Wände doch in Zürich beinahe allgegenwärtig. Doch der Stil der Figur ist unverkennbar ähnlich mit anderen Figuren, die in der letzten Zeit im Kreis 1 entstanden sind. Mit meiner Kamera mache ich mich auf den Weg, um einige von den Grafittizeichnungen aufzunehmen und zu vergleichen. Die Geschichte dahinter: Harald Naegeli, der Ende der 70er Jahre als Sprayer von Zürich bekannt geworden ist und 1984 eine sechsmonatige Haftstrafe absitzen musste, weil er die öden Betonwände der Stadt Zürich mit filigranen, schwarzen Figuren besprüht hatte. Zu dieser Zeit herrschte in Zürich eine Phase des Aufbruchs, teilweise mit Jugendprotesten und Spannungen zwischen dem Zürcher Bürgertum und Freigeistern. Naegeli sprühte anonym und meist in tiefester Nacht seine einprägsamen Strichmännchen und -frauchen und lieferte sich mit der Stadtpolizei Geplenkel wie beim Räuber und Gendarm spiel. In dieser Zeit entstanden mehrere hundert Zeichnungen an öffentliche und private Wänden. Es hagelte von öffentlicher und privater Seite Strafanzeigen und die Kunst sowie die Person Naegeli wurden zu einem Politikum, das nicht nur in Zürich sondern auf der ganzen Welt aufmerksam beobachtet wurde. «Ich, der Sprayer von Zürich» teile mit, dass meine Spraybilder kulturgeschichtliche Bedeutung haben und die 192 Strafanzeigen vom schweizerischen Staat und Privaten nichts anderes sind als der Beleg einer geistigen Bankrotterklärung», erklärte Naegeli. Auf Grund eines Zufalles wurde er 1979 jedoch festgenommen und zu neun Monaten Haft ohne Bewährung und einer Geldstrafe von rund 100 000 Franken Geldstrafe verknackt. Dieser entzog er sich kurzfristig durch die Flucht nach Deutschland, wo er mit zahlreichen Künstlern, u.a. Joseph Beuys im engen Kontakt stand, im Jahr 1983 aber von der konservativen Regierung um Helmut Kohl unter grossen Protesten von Seiten der Künstler und dem ehemaligen Kanzler und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt ausgeliefert wurde. Nach dem Verbüssen der Gefängnisstrafe kehrte Naegeli nach Deutschland zurück und arbeitet dort bis heute als Künstler. Heute gilt die Kunst Naegelis in der Schweiz immer noch als stark umstritten, obwohl er sich international einen Rang und Namen als Grafitti Künstler gemacht hat.

Die neuen Zeichnungen im Zürcher Oberdorf, in Oerlikon und anderen Stadtgebieten lassen vermuten, dass Harald Naegeli zurück ist! An dieser Stelle möchte ich Euch meine Aufnahmen von den wohl neuesten Werken zeigen und die Charakteristiken seiner Sprayereien aufzeigen. Interessant sind aber auch die zahlreichen Zeitungsartikel, die in den letzten Tagen zu seinem Werk in der Trittligasse in der Tagesanzeiger und der NZZ erschienen sind. Obwohl die Uni Zürich 2004 das Werk Naegelis am Deutschen Seminar konservieren und schützen liess, sind seine Kunstwerke in der Stadtzürcher Bevölkerung so umstritten, dass beinahe alle Leserbriefe zum Thema sehr negativ ausfallen und die Autoren Naegeli beinahe ohne Ausnahme an den Pranger haben wollen.

Leserbriefe

Leserbriefe aus der NZZ


Interessant, wie sehr die triste Gegend von Kreis 4 hinter den Gleisen des Zürcher Hauptbahnhofs zum wahren Place to be für die jungen, zeitgenössischen Zürcher Galerien geworden ist. Die Gegend ist für mich einer der Gegenden, in denen die Globalisierung ihre Fratze zeigt: finstere Gestalten treiben sich in den Innenhöfen herum, eine thailändische Prostituierte lächelt mir an der Ecke zum Kasernenareal vom Fenster auf die Strasse herab, alle paar Meter finden sich Im- und Exportläden mit Brautkleidern aus Kunststoff, Elektronik aus den Achtziger Jahren, Dönerbuden und Internetcafes mit Telefonspezialtarifen nach Sri Lanka und Albanien. Die Dienerstrasse wird von UV Lampen gesäumt, die in den Innenhöfen den Junkies das Finden der Ader schwer machen sollen. Es fängt an zu regnen…die ansonsten schon recht graue Gegend wirkt nun beinahe schon bedrohlich. Schnell finde ich die Galerie von Claudia Groeflin, die seit Beginn des Monats den Basler Künstler Fabian Chiquet zum zweiten Mal in einer Einzelausstellung zeigt. Neonröhren brennen…endlich ein wenig Licht an diesem dunklen Tag.

Die Ausstellung erstreckt sich über zwei Stockwerke… habe mich kurz vor dem Besuch mal im Internet kundig gemacht: Fabian Chiquet ist erst 24 Jahre alt und beschäftigt sich in seiner Kunst mit Themen aus der Alltagskultur, in denen er über den Sinn von Spontanität und der Existenz von Authentizität sinniert. Dabei scheut er nicht, verschiedene Medien zu mischen und verwendet neben verschiedenen Materialien für seine bildende Kunst auch Videos für seine Performances. Eine seiner Projekte habe ich dieses Jahr in Basel gesehen. Ich erinnere mich – das Infoblatt der Galerie bestätigt: „Part of the Nite Never dies“ an der Liste 09.
Irgendwie hat mich das Wetter sehr müde gemacht, ausserdem habe ich meine Kamera ohne Memory Stick mitgenommen…nicht mein Tag heute. Ich erkundige mich bei dem Herren, der die Aufsicht macht, ob ich denn irgendwie an Photos von dem Künstler kommen könnte – er bestätigt meine Vermutung, dass ich auf der Website der Galerie fündig werden sollte. Zum zweiten Mal laufe ich die Treppe herab ins untere Geschoss…schaue mir nochmal die Bilder mit den Klebebändern an. Ob ich wohl zu müde bin? Ich komme auf die Bilder gerade nicht so ganz klar. Irgendwie habe ich nur noch die Universität und die ganzen Arbeiten im Kopf, die noch bis Weihnachten anstehen. Für Kunst brauche ich Muse…viel Muse, Zeit…und bei diesem Wetter vor allem einen heissen Kaffee. War da nicht gerade ein Coffee-to-go Angebot in dem Dönerladen kurz vor dem Kasernenareal? Ich wünsche der Aufsichtsperson einen schönen Abend und sage ihr, dass ich nochmal in Ruhe wiederkommen würde.

 

Mit unserem eLearning Kurs lerne ich Zürich, nachdem ich ja eigentlich schon sechs Jahre hier lebe und die Stadt mittlerweile gesehen haben sollte, immer wieder neu kennen. Diesmal soll es das Areal zwischen dem Escher-Wyss-Platz und der Toni-Molkerei sein: „Quartier Züri-West“. Gelesen habe ich vor längerer Zeit, dass das Architekturbüro EM2N die Industrieanlage der „Toni-Molkerei“ – wo früher der gute Joghurt aus dem Gläschen produziert wurde – in das neue Hochschulgebäude der ZHDK umbaut. Bis zur Fertigstellung wurde die Abteilung „Fine Arts“ der ZHDK in ein Gebäude der Swisscom in der Förrlibuckstrasse verlegt. Die Gegend kenne ich eigentlich nur, weil sich dort auch der Autobahnanschluss nach Basel befindet. Immerhin führt die Tram 4 beinahe direkt vor die Tür des Gebäudes.

Wir treffen uns dort um 18 Uhr mit Kostas Manolakis, Künstler und Student im Masterstudiengang „Fine Arts“. Kostas möchte uns einen Einblick in das Institut und seine Infrastruktur geben und uns die Ateliers der Kunstschaffenden zeigen. Sein Studiengang MA und speziell das Institut bildet einen Ort an dem Künstler, Medienautoren, Theoretiker und Ausstellungskuratoren zusammentreffen. Im Zentrum der Ausbildung der Studenten steht die vertiefte künstlerische Entwicklung der Studierenden. Dafür müssen sie sich die notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten aneignen und entwickeln. Die Website der ZHDK beschreibt das Ziel des Studienganges. „Persönlichkeiten auszubilden, die ihre Autorschaft auf hohem ästhetischem und technologischem Niveau und in vertiefter Kenntnis der übrigen künstlerischen Praxen sowie in Reflexion gesellschaftlicher Gegebenheiten in die Realität umsetzen.“

Surreal fällt mir als Adjektiv für das Gebäude und die Gänge ein, durch die uns Kostas zum Institut führt. Die Räume dienten bis vor einigen Jahren der Swisscom als Sitz, heute ist nur noch die Informatikabteilung im Gebäude. Sichtbeton, Raumpflanzen und ein Spannteppichboden lassen nur erahnen, wie der geordnete Büroalltag sich hier abgespielt hat. Wir treten durch eine Glastür und befinden uns im Foyer des Provisoriums. Türe an Türe, lange Gänge, die menschenleer sind, Ödnis und Langweile strahlen uns an. Doch unbeirrt öffnet Kostas eine der Türen – und: Voila! Wir stehen im Atelier von zwei Studenten, die auch noch in den Abendstunden an ihren aktuellen Projekten arbeiten. Für mich gilt nun, sich erstmal zu orientieren: Acrylfarben, Ölfarben, alte Fernseher, Kabel, Zigarettenschachteln, Löwenbräu Bierdosen, Leinwände, Einwegspritzen, Papier, Karton, Werkbänke. Ich begegne dem kreativen Chaos in den Atelierräumlichkeiten, die sich über einen grösseren Saal verteilen und von Wänden mit grossen Fensterscheiben getrennt werden. Jeder Student hat hier seinen Arbeitsplatz, an dem er für seinen Master in Fine Arts an Projekten arbeitet.

Medium oder Nationalität werden dabei in den Säälen bunt gemischt. Neben dem Arbeitsplatz einer finnischen Photokünstlerin entstehen Aliens aus Müll. Im Nachbarsaal malt eine Südamerikanerin Ölportraits, neben ihr programmiert eine Schweizerin kleine USB Apparaturen, die später einmal in einem Multimedia Objekt funktionieren sollen. Auch Kostas hat hier seinen Arbeitsplatz. Auf vielleicht 10 Quadratmetern, stapeln sich Pakete aus braunem Karton…auf dem Boden, gegen die Wand gelehnt und auf den Tischen. Zieht er aus? Zieht er um? Nein, Kostas hat seine Werke aus der letzten Ausstellung erhalten. Alles sauber verpackt. Er zeigt uns grossformatige Aufnahmen von seinen letzten Werken, einem raumgreifendes Objekt sowie eine Spiegelkonstruktion, dessen Aufteilung und Proportion sich am goldenen Schnitt orientiert. Wie Kostas nehmen etliche Kunststudenten von der ZHDK an nationalen und internationalen Ausstellungen teil, einige haben sogar schon Verträge mit Galerien. Kein Wunder, bieten doch die Räumlichkeiten eine ideale Plattform… Computerarbeitsräume mit Powermac G5s, Video- und Fotobearbeitungsprogrammen, Werkstätten,  Präsentationsräumen und sogar einem kleinen hauseigenen Ausstellungsraum.

Unser Rundgang neigt sich dem Ende zu. In der Küche des Instituts, an der wir vorbeilaufen, wird es laut. Geschirr klappert, leichter Essensgeruch macht sich breit. Die Studenten kochen das Abendessen, um sich für eine kreative und produktive Nachtschicht zu stärken. Wir bedanken und verabschieden uns bei Kostas, der uns einen sehr interessanten Einblick in die Welt der Kunststudenten geliefert hat und alle unsere Fragen geduldig beantwortet hat.

 

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Seit einigen Wochen zeigt das Kunsthaus Zürich die Werke des französischen Künstlers Georges Seurat, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte. Das riesige Plakat mit dem verpixelten Eifelturm auf dem Platz vor dem Kunsthaus Zürich motivierte mich letzten Sonntag, trotz des schönen Wetters die aktuelle Ausstellung anzuschauen. Ich liebe die Ruhe und Beschaulichkeit im Kunsthaus und schätze es sehr, dort einfach mal ungeplant und unvorbereitet vorbeizuschauen.

Die ersten Touristengruppen kamen mir bereits entgegen, als ich die Treppe zum ersten Geschoss mit dem Ausstellungsraum mit Seurats Werken hochstieg. Es war ziemlich viel los – klar… Sonntag Nachmittag eben. Ich setzte mich auf eine Bank im Raum, um erstmal ein wenig die Atmosphäre zu spüren und war auch recht glücklich darüber, dass direkt neben mir der aktuelle Ausstellungskatalog auf der Bank lag. Hatte ich doch bis dahin eigentlich keine grossartige Ahnung über Seurats Werk und Kunst, ausser vielleicht, dass er ein wichtiger Vertreter des Pointillismus ist. Ich las mir in aller Ruhe die Biographie des begabten Pariser Malers durch, von seiner Kindheit, seiner ersten Begegnung mit den Impressionisten und seinen Schwierigkeiten, seinen eigenen Stil in der Kunstszene dieser Zeit durchzusetzen.

Der Katalog ist sehr schön zusammengestellt und bietet einen Überblick über die grössten Teile von Seurats Werk. Enttäuscht hat mich an der Ausstellung nur, dass schlussendlich die echten Bilde von ihm alle sehr klein waren und in den riesigen Räumen des Kunsthauses eigentlich völlig untergehen. So hat mich die halbstündige Lektüre des Seurat Kataloges eigentlich mehr begeistert als die Ausstellung selber.

Ein Besuch ist Georges Seurats Ausstellung im Kunsthaus allemal wert….vor allem, weil die Dokumentationen über ihn, im Vergleich zu anderen Künstler des Impressionismus im Internet sehr mager sind und seine Bilder trotz ihrer mageren Dimensionen wunderbar sind.

 

Es ist der 24. Oktober 2009. Eine Gruppe von uns trifft sich um 12 Uhr in der Kunsthalle Zürich, um der Performance von Marcus Coates beizuwohnen. Die Limmatstrasse wirkt an diesem Tag wie leer gefegt. Während meinem Spaziergang zur Kunsthalle fällt mir auf, wieviele neue Galerien in der Gegend zwischen dem Limmat- und Escher-Wyss-Platz eröffnet haben. Doch wo sind die ganzen Besucher? Beim betreten der Kunsthalle treffe ich auf unsere Gruppe von der Uni und auch auf einige Besucher. Es sind doch einige Leute zusammen gekommen, um den mir bisher unbekannten Künstler zu sehen. Im Foyer der Kunsthalle sind neben der Kasse zwei Tische aufgebaut. Neben einer Musikanlage mit Radioempfänger und Reglerpult führen Kabel zu einem Fernseher mit DVD Spieler und einem Mikrofon.
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Ein Mann um die 30 steht dahinter und testet Mikro und DVD Spieler. Ist das der besagte Künstler? Auf dem Boden liegt ein grosses Blatt auf dem mit grossen Lettern etwas unbeholfen die Frage aufgeschrieben wurde: Does travelling really bring you real freedom?

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Ich verstehe gar nichts. Kurz darauf beginnt Coates seine Performance. Er setzt sich eine Sichtblende auf, wie wir sie aus den Flugzeugen kennen sowie einen grossen Kopfhörer. Das Spektakel beginnt. Coates scheint um Konzentration zu ringen. Er wippt auf seinen Füssen nach vorne und hinten. Nach 10 Minuten beginnt er Geräusche eines Vogels nachzuahmen. Aus ihm zirpt und pfeift es. Ich bin etwas verwirrt, ja beinahe schon sauer. „Was ist das denn hier für eine Aufführung…“, denke ich mir.

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„Passiert hier noch was?“ Ich linse mal in die hinteren Räume mit der aktuellen Ausstellung, Zeittotschlagen ist angesagt. Habe gestern wohl ein Glas Rotwein zu viel gehabt…der Kopf dröhnt und ich ärgere mich darüber, noch nicht einmal etwas gefrühstückt zu haben, bevor ich hier herkam. Coates sitzt mittlerweile auf dem Boden und macht den Chicken Dance mit seinen Armen. Er gurrt und scharrt. „Das kann ja jetzt wirklich nicht wahr sein“, geht mir durch den Kopf.

 

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Ich möchte wissen, wo er denn sonst noch solche Aufführungen veranstaltet und schaue mich mal im Bücherregal neben der Kasse um, schliesslich entdecke ich die Informationsblätter über Marcus Coates:

Coates stammt also aus London und wurde dort mit einem Wochenendkurs an die alten Riten des Schamanismus herangeführt. Der Kurs sollte seine Teilnehmer mit Hilfe von Gesang, Trommeln und einem Traumfänger – also den Attributen indianischer Kulturen – lehren, wie sie in eine andere psychische Dimension abtauchen können. Die Ursprünge des Schamanismus, der vor allem in Indianerstämmen Sibiriens und Innerasiens aber auch bei den Sami im Norden Europas zelebriert wird, dient in Form von rituellen Handlungen und Beschwörungsformeln, dazu um Kontakt zur Götter- und Geisterwelt, aber auch die der Tiere aufzunehmen.  Der Schamane soll dabei die Sichtweisen der dies- und jenseitiger Welt einnehmen und durch seine besondere Fähigkeit zum Wohl der Gemeinschaft einsetzen.

Ich erfahre, dass Coates selber überzeugter Naturalist und ausgebildeter Ornithologe ist und  in der Welt der Tiere Antworten auf Probleme sucht, die Menschen in ihrem Alltag beschäftigen. Mh…irgendwie doch interessant. Über Schamanen habe ich noch nicht viel gehört, obwohl sie doch ein wichtiger Teil der Kultur im Norden Finnlands sind, dem Land, woher ich herkomme. Ich nehme mir vor, doch bald ein wenig mehr über das Thema Schamanismus in Erfahrung zu bringen.

Mittlerweile ist Coates wieder zurück aus der Tierwelt und erzählt, wie er als Vogel beobachten konnte, wie zwei Greifvögel am Himmel fliegen und eine davon eine lebende Schlange in ihrem Schnabel festhält. Coates erklärt, dass für ihn Reisen auch daraus bestünde, die Betrachtungsweise anderer Tiere einzunehmen. Damit eröffnet er die Fragerunde für das Publikum.
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Ich stecke mittlerweile gedanklich mit der Überlegung fest, wie man eigentlich in der Welt Konflikte und Kriege vermeiden könnte, wenn man nur abundzu die Sichtweise…nein, nicht einer Maus oder eines Hundes, sondern vielleicht einfach nur seines Gegenüber versuchen würde einzunehmen. Die anfängliche Skepsis gegenüber dem gurrenden Coates auf dem Boden hat sich bei mir in ein Interesse seinem Projekt gegenüber verändert.
Habe mal das Internet durchsucht, habe viel gefunden…aber besonders dieses möchte ich euch als Link empfehlen:
Radio NRK: Radio Shaman in Norwegen: http://www.youtube.com/watch?v=HhiDq7Tud3I
Coates trifft den Bürgermeister von Holon: http://www.likeyou.com/en/node/13613

Letztes Wochenende habe ich das Rheinland besucht, um bei einer Eröffnung einer Retrospektive meines Vaters im Bonner Arithmeum dabei zu sein. Auf dem Rückweg aus Bonn am gestrigen Sonntag wollte ich nicht direkt zurück nach Zürich fahren und beschloss, über das Saarland zurück zu fahren. Vor vielen Jahren habe ich über eine interessante Sehenswürdigkeit gehört, die sich in der Nähe von Saarbrücken befindet: Die Völklinger Hütte, ein 1873 gegründetes ehemaliges Eisenwerk in der Nähe von Saarbrücken und der französischen Grenze. Das Eisenwerk ist mittlerweile ein Museum und wurde 1994 von der Unesco zum Weltkulturerbe genannt – soweit ich weiss, sogar das erste Industriedenkmal, das diese Ehre erlangt hat! Das besondere an diesem Eisenwerk ist, dass alle Phasen der Roheisenerzeugung vor Ort nachvollziehbar sind. Das gesamte Gelände der Völklinger Hütte wird auch als „Ikone der Industriekultur“ oder als „Kathedrale der Arbeit“ bezeichnet.
Zwischen den alten Kohlebunker und Schmelzhochöfen für Stahl finden zahlreiche kulturelle Veranstaltungen statt, die jährlich von über 200.000 Menschen besucht werden. Zur Zeit wird eine Ausstellung mit den Werken des Künstlers Otmar Alt präsentiert. Künstlerisch gesehen nicht mein Fall… aber die Industrieanlagen sind einfach gigantisch und atemberaubend. Hier Aufnahmen von heute und vergangenen Zeiten:

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Nach einem Spaziergang durch den Kreis 5 erreicht unsere Gruppe den Klingenhof, der in der Nähe der ZHDK gelegen ist. Im Gegensatz zu den Höfen, die wir uns auf dem Hinweg angeschaut haben, ist dieser weder künstlich bepflanzt worden, noch dient er zweckdienlich als Parkplatz.DSC_0341

Als Konzept für Gestaltung des städtischen Wohnraumes wurde das Haus, was bis in die 80er Jahre hinein in der Mitte des Klingehofes stand, nur bis zu den Grundmauern abgerissen. Dessen Ruine dient heute als freier Raum für die Bewohner der benachbarten Gebäude und ist sogar mit einem kleinen Kinderspielplatz versehen. Sogar ein ganzer Dokumentationsfilm wurde vor drei Jahren über den Klingenhof gedreht, in dem zahlreiche Nationalitäten und Ethnien zusammen wohnen und leben. Mehr Informationen zum Film findet ihr auf: http://www.cineman.ch/movie/2005/Klingenhof/review.html

Nach dem Klingenhof führt uns die Tour weiter zum Kunsthof der Zürcher Hochschule für Gestaltung. Mitte September, pünktlich zu Semesterbeginn, ist Dozent und Künstler Erik Steinbrecher von Berlin nach Zürich gereist und hat im Kunsthof seinen alten VW Bulli parkiert. Steinbrecher wohnt nun in diesem Bus: „Die Dusche an den Wasserschlauch angeschlossen, den Fernseher auf dem Beifahrersitz platziert, öffnet Steinbrecher den Dozentenbus und lädt Leute ein. Der Bus mutiert zum Probelokal, der Kunsthof zur Freiluftakademie…“ so der Beschrieb seines Projektes auf der Seite der ZHDK.

Die beiden Kuratorinnen Irene und Maren schlagen den nächsten Punkt unseres Rundgangs vor: den Helvetiaplatz. Dort erzählen uns die beiden über das Projekt „Abschiebung“ der Performancekünstlerin Marina Belobrovaja. Die Künstlerin, deren Aufenthaltsbewilligung ausläuft, bittet die Bevölkerung, sie in einem bereitgestellten Auto direkt vom Helvetiaplatz zur Landesgrenze zu schaffen und dort ins Ausland abzuschieben. Bei Blogspot hat die Künstlerin ihr Projekt dokumentiert: http://die-abschiebung.blogspot.com/

Mittlerweile ist es 17 Uhr, die meisten, die sich Anfangs zum Kunstspaziergang getroffen haben, sind schon über alle Berge…nach Hause gegangen zum obligatorischen Sonntagskaffeekränzchen oder in eine warme Beiz, man weiss es nicht. Immerhin…der Himmel ist grau und man merkt, dass der Tag langsam sich dem Ende neigt. Der harte Kern führt den Spaziergang weiter fort. San Keller möchte uns ein Projekt in der Grünau vorstellen, wohin wir mit dem Bus fahren. 15 Min später stehen wir inmitten eines Wohnblocks in Zürich Altstetten. Neben dem Altenheim Grünau wurden neue Wohnhäuser geschaffen, die nun vor allem von Familien bewohnt werden. In einem Kunst am Bau Projekt hat ein Künstler jeweils eine grosse Fahne auf den Dächern der Siedlungsbauten angebracht. Im Gegensatz zum benachbarten Altenheim, bei dem die Bewohner an ihren eigenen Balkonen die Flaggen ihres Heimatkantons in den Blumenkübel gesteckt haben, besitzen die Fahnen auf den Neubauten nur eine phantastische Bedeutung, wie uns San Keller erklärt.

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Zu guter letzt möchte uns eine Spaziergängerin noch das offene Skultpurenatelier in Schlieren zeigen. Die versprochenen 1000 Meter Distanz werden zu einem längeren Spaziergang an der Limmat entlang und unter der Unterführung der Zürich-Baden Autobahn. Schliesslich erreichen wir kurz vor sieben den Skultpuren- und Atlierpark im Industriegebiet von Schlieren. Der lange Weg hat sich gelohnt: Uns präsentiert sich ein verwunschener Park mit einzelnen Ateliergebäuden, in denen die Künstler tätig sind. Überall finden sich unterschiedlichste Materialien verteilt: DSC_0480Grosse Stapel mit Baumstämmen neben grossen Metallstücken neben halbbearbeiteten Steinen. Stundenlang könnte man hier verweilen und unzählige photographische Impressionen schiessen. Leider ist aber der Akku leer, von mir und meiner Nikon. Die Gruppe löst sich jetzt auch auf. Ein Teil zieht in eine Beiz, um den gelungenen Spaziergang zu zelebrieren. Ich mache mich auf den Weg nach Hause. Eine warme Zwiebelsuppe & einige Gläser Wein warten auf mich.

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Sonntag, 11. Oktober 14 Uhr: Wir haben uns mit Marcel Bleuler am Zürcher HB – direkt unter der dicken Nana von Niki de Saint-Phalle – verabredet, um am Projekt „Kunstpassanten“ mitzuspazieren. Eine riesige, bunt gemischte Menschengruppe hat sich dort versammelt…ich schätze mal sicherlich 100 Leute. Ich muss mich erstmal zurecht finden, bis ich die ersten Teilnehmer aus unserer Gruppe finde. Die Teilnehmer sind teils mit Kind und Kegel angerückt. Ich bin sehr gespannt, denn viel konnte ich im vorhinein nicht erfahren und musste erst einmal im Internet nach den Kunstpassanten suchen. Unter http://www.kunstpassanten.ch wurde ich fündig. In kürze Zusammengefasst: Zwei Kuratorinnen, Irene Grillo und Maren Brauner, organisieren alle 4 Wochen einen Stadtrundgang unter der Aufsicht und Regie eines Künstlers oder Theoretikers, der Kunst im öffentlichen Raum und die dazu gehörenden Entstehungsprozesse thematisieren soll.

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San Keller, Künstler von Beruf, begleitet uns heute auf unserem Spaziergang. Er ist der Meinung, „dass jeder  Mensch, der die Stadt besucht oder bewohnt, die Kenntnisse und die Kompetenz besitzen, um über die Funktion und die ästhetische Wirkung von Kunst im öffentlichen Raum zu sprechen“. Daher möchte San Keller den Rundgang von den Teilnehmern selber gestalten lassen und verteilt sein eigenes Honorar von 800 CHF am Ende an alle, die einen aktiven Beitrag zum Spaziergang leisten.

Nachdem sich San vorgestellt hat, fragt er in die Menge, ob denn jemand eine Skulptur, einen Ort oder Kunstgegenstand in der Nähe des Bahnhofes kennen würde, der als erster Punkt für den Kunstspaziergang gelten könnte. Ich melde mich und empfehle, zur Marmorskulptur von Max Bill an der Bahnhofstrasse zu gehen und über sie und den Künstler etwas zu erzählen. Es folgen zwei weitere Vorschläge: das Grossmünster mit den neuen Kirchenfenster von Sigmar Polke und die Stelle an der Limmat für den zukünftigen Kunstkran. San Keller stimmt zu. Wir machen uns auf den Weg zur Skulptur, die Bahnhofstrasse in Richtung See herab. Für mich ein wenig der Gang nach Canossa…vor so vielen Leuten unvorbereitet über Max Bill und sein  Projekt zu sprechen, macht mir im nachhinein gesehen doch etwas Angst.

Vor der Skulptur stelle ich der Menge Max Bill als Künstler vor und welchen Bezug er zur Stadt Zürich hat. Es klappt irgendwie ja doch, vor der grossen Menge zu sprechen, und das ganz ohne Micro…puh…Erleichterung. Nachdem ich sein System, das Objekt und die Konkrete Kunst im allgemeinen erzählt habe, frage ich die Menge ob sie denn Fragen oder eine Geschichte zu diesem Objekt habe. Es melden sich einige. Plötzlich steht die Frage im Raum, wie das Marmorobjekt heissen würde. Eigentlich haben die meisten Werke Konkreter Künstler keinen richtigen Titel, denke ich mir…drehe mich aber um, um nach der Plakete zu sehen, die am Objekt angebracht werden soll. In dem Moment sagt San Keller hinter meinem Rücken zu einigen Zuhörern, dass ich ja nur aus dem kunsthistorischen Aspekt auf das Objekt eingehen würde und völlig „überstudiert“ wäre. Finde ich ziemlich krass, da das ganze ja als Veranstaltung nicht inhaltlich definiert war, und man ja als Teilnehmer schon ziemlich seinen Mut zusammen nehmen muss, um in einer völlig fremden Gruppe einen Beitrag zu leisten, der zudem völlig spontan ist.

Egal…weiter gehts durch die Altstadt zum Limmatquai.

DSC_0234Ein Teilnehmer stellt die Idee des Kunstkrans vor und kritisiert diese lautstark. Eine Diskussion zwischen den Teilnehmern bricht aus. Hier geht ja richtig was ab!

Grossmünster, nächste Station. Wir schauen uns die neuen Kirchenfenster an, die von Sigmar Polke, dessen Werke dem postmodernen Realismus zuzuordnen sind, gestaltet wurden. Iinteressant, die Einweihung findet im übrigen erst kommenden Samstag statt. Sehr zu empfehlen, wer den niederschlesischen Maler in persona erleben möchte!

Ein Herr aus der Runde nimmt sich dem nächsten Ziel an und führt uns quer durchs Niederdorf zu zwei Hinterhöfen, einer davon bepflanzt, der andere mit einem Parkplatz versehen. Sein Ziel: Er möchte uns in die unterschiedlichen Gestaltungsweisen von Hinterhöfen einführen. Und diejenigen im Niederdorf waren erst die erste Station. Er möchte uns im weiteren auch den Klingenhof im Kreis 5 zeigen und auf dem Weg dorthin die Linden im Platzspitzpark, um deren Zustand er sich grosse Sorgen macht.

Der Spaziergang endet unerwartet in Schlieren, gegen 19 Uhr. Wie wir vom Klingenhof nach Schlieren kommen, erfahrt ihr die nächsten Tage. Es ist kurz vor 23 Uhr, Zeit, Feierabend zu machen!

Und das Thema wird noch durch ein weitaus Interessanteres ergänzt…

Das Schweizer Journal Kunst, Sex und Mathematik veröffentlicht auf seiner Website Abbildungen von einigen richtig heissen Werken. Mein absoluter Favorit: Die Äpfel von Judith Albert. Sehr, sehr schade, das nirgendwo so richtig erklärt wird, was es mit der Seite auf sich hat. Werde nochmal nachgooglen…vielleicht finde ich ja einen Hinweis.

Aber erst einmal die Adresse für euch:

http://www.journalfuerkunstsexundmathematik.ch/

Auf dem ersten Blick würde man gar nicht vermuten, dass auf einer Internetplattform für werdende Ingenieure eine kunstbasierte Videodokumentation zu finden ist – überzeugt euch selber…

http://www.think-ing.de/mint/projekte/mathematik-und-kunst

Ich finde die Idee klasse, denn das Projekt von Think Ing. möchte Brücken schlagen zwischen der trockenen, formel- und regelbestimmten Mathematik und der freien, ästhetischen und durch Inspiration geprägten Bildenden Kunst. Etwas „nerdy“ wirkt der Auftritt und das Video schon… hey, aber doch schonmal ein erster und mutiger Schritt um zwei so verschiedene (oder doch nicht?) Bereiche der Wissenschaft zusammen zu führen.